Kein Mensch auf der ganzen Welt
kann die Wahrheit verändern.
Man kann sie nur suchen
sie finden und ihr dienen.
Die Wahrheit ist an jedem Ort.

Dietrich Bonhoeffer

Verabschiedung des Präsidenten der Wehrbereichsverwaltung West, Rainer Georg Großkraumbach

Grußwort des Kommandeurs 7. Panzerdivision, Generalmajor Jürgen Ruwe, aus diesem Anlass am 16. Mai 2003 in Düsseldorf

Herr Minister,
meine Damen und Herren Staatssekretäre,
meine Damen und Herren Abgeordnete,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

Als Kommandeur der 7. Panzerdivision bin ich um ein Grußwort bei diesem Amtswechsel gebeten worden. Welchem Umstand ich dies verdanke, weiß ich nicht so ganz genau. Es mag der guten Nachbarschaft geschuldet sein, die wir hier pflegen, oder der Tatsache, dass die Division der größte Kunde der Wehrbereichsverwaltung West ist. Wie auch immer: Der Bitte komme ich gern nach. Sie gibt mir die Möglichkeit, auf eine bemerkenswerte Zusammenarbeit hinzuweisen.

In der preußischen Armee - Sie sehen, meine Damen und Herren, ich hole weit aus – in der preußischen Armee gab es die eher süffisante als sarkastische Bemerkung: „Im Frieden ersetzen die Vorgesetzten den Feind.“ Die Innere Führung ließ eine solche Charakterisierung von Vorgesetzten in der Bundeswehr nicht mehr zu; die Truppe musste sich daher einen neuen Feind suchen. Denn eine Truppe ohne Feind, das ist etwa so wie ein Politiker ohne Parteifreund.

Seit Aufstellung der Bundeswehr bot sich die Bundeswehrverwaltung als Feindersatz geradezu an. Aus tiefem Misstrauen allem Militärischen gegenüber hatten die Verfassungsväter im Artikel 87 b GG festgelegt, dass die Verfügung über die Sachmittel zum Unterhalt von Streitkräften tunlichst nicht in die Hand der Militärs gehöre. Wahrscheinlich aus gutem Grund.
Mancher Beamte allerdings verwechselte das und missverstand das Prinzip der civil control als Kontrolle des Militärs durch die zivile Komponente der Bundeswehr – getreu dem Motto: „Wenn man denen nicht ganz genau auf die Finger schaut, machen die, was sie wollen.“ Da ist natürlich Einiges dran; denn die Denkweise eines Soldaten unterscheidet sich tatsächlich ein wenig von der eines Beamten.
Der letztere ist gehalten, sich in seinem Verwaltungshandeln in jedem Fall an alle relevanten Gesetze, Verordnungen und bürokratischen Vorgaben zu halten – selbst wenn sie im konkreten Einzelfall auch mal nicht ganz so hilfreich sein sollten. Ist das Ergebnis übrigens dann politisch nicht opportun, muss er sich dafür auch noch prügeln lassen, obwohl er für die Vorgaben, die umzusetzen er gehalten ist, wenig kann.

Der Soldat unterliegt selbstverständlich auch den Gesetzen, im übrigen aber ist er in erster Linie bestrebt, seinen Auftrag zu erfüllen. Wenn dies mit den bürokratischen Vorgaben konveniert, gut; wenn nicht, lässt er sich etwas einfallen. Auch diese unterschiedlichen Denkweisen waren natürlich ein idealer Nährboden für die Stilisierung der Bundeswehrverwaltung als Feindersatz. Einmal eingeführt, war das Bild nur schwer wieder aus den Köpfen zu bekommen. Sie wissen: Die Truppe hält auf Tradition. Und wer verliert als Soldat schon gern seinen Feind.

Hier in Düsseldorf jedoch – und damit lasse ich diese unfreundlichen Feindbilder, die wir ja unserem Konzept der Inneren Führung entsprechend angeblich gar nicht benötigen, weit hinter mir - hier in Düsseldorf sieht dieses Verhältnis ganz anders aus. Und dies nicht erst seit gestern, sondern seit geraumer Zeit. Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Wehrbereichsverwaltung und dem früheren Wehrbereichskommando III/ 7. Panzerdivision ist nicht in unserer Amtszeit entstanden, Herr Großkraumbach, und auch nicht in der Zeit unserer Vorgänger, wie Sie, Herr Staatssekretär Biederbick, unlängst aus eigenem Erleben angemerkt haben. Sie geht deutlich weiter zurück.

Es war sicher nicht die schlechteste Idee, die leitenden Herren der Wehrbereichsverwaltung und des Wehrbereichskommandos einmal im Monat zu einem gemeinsamen Essen mit Informationsvortrag zusammenzuführen: zu dem berühmten EDIMO - auf hochdeutsch: Erster Dienstag im Monat. Die Schwerpunkte der Zusammenarbeit lagen zunächst überwiegend im territorialen Bereich. Es war aber – zumindest aus meiner Sicht – durchaus ein Gewinn, dass sich seit 1994 mit der 7. Panzerdivision auch die Truppenkomponente in dieser Konstellation wiederfand.
Die territoriale Aufgaben haben wir – wie Sie wissen - vor nunmehr zwei Jahren nach Mainz abgegeben; unsere Truppensicht der Dinge aber können wir auch heute noch in das gemeinsame Wirken einbringen. Die eingespielte Form der Zusammenarbeit auch unter den neuen Bedingungen fortzusetzen, war - glaube ich - eine gute Entscheidung – und ein Gewinn für beide Seiten.

Meine Damen und Herren, sicherlich nicht erst seit gestern, aber in jüngster Zeit doch noch einmal deutlich forciert, spielt der Service-Gedanke bei der Verwaltung eine prägende Rolle. Diese Unternehmenskultur haben wir als Truppe oder als „Kunden“, um die neue Terminologie zu benutzen, dankbar verspürt. Dies betrifft nicht nur die Zentrale der Wehrbereichsverwaltung West, sondern auch den nachgeordneten Bereich, also die Standortverwaltungen und Kreiswehrersatzämter. Ein solches Denken in einem Behördenapparat dieser Größenordnung zu verankern, ist wahrlich keine einfache Aufgabe; Sie, Herr Großkraumbach, haben sie mit Nachdruck und sehr erfolgreich betrieben.

Ich will nicht verhehlen, dass die drohende Konkurrenz durch die Wirtschaft im Zuge des outsourcing ihren Teil dazu beigetragen haben mag, Ihre Mitarbeiter zusätzlich zu motivieren. Konkurrenz belebt halt das Geschäft. Aber, wie wir heute gehört haben, hat sich dabei Ihre Verwaltung im direkten Vergleich mit der Wirtschaft wahrlich nicht schlecht geschlagen. Man muss natürlich aufpassen, dass sich in dem berechtigten Bemühen um Einsparungen nicht der gute Service für die Truppe, den ich gerade so hoch gelobt hatte, wieder verflüchtigt.
Wenn wir an den Wochenenden die Heizungen in den vermeintlich leeren Kasernen so herunterfahren, dass sich die verbliebenen Soldaten auch tagsüber in ihre Schlafsäcke wickeln müssen, mag das zwar als Ausbildung für den Wintereinsatz in Afghanistan betrachtet werden; ob es aber die Attraktivität unseres Dienstes entscheidend voranbringt, erscheint mir eher zweifelhaft.

Ich konnte mir diesen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen, meine Damen und Herren, weil ja auch der eine oder andere aus der Haushaltsabteilung unseres Hauses hier anwesend ist. Sparen tut angesichts unseres nicht so wahnsinnig opulent ausgestatteten Verteidigungshaushalts sicher Not, aber man kann es bekanntlich auch am falschen Ende tun.
Im übrigen möchte ich aber eines in aller Deutlichkeit feststellen: Vor die Wahl gestellt, mit dem Vertreter einer Vertragsfirma über unseren Bedarf verhandeln zu müssen oder mit einem unserer Beamten, fällt mir die Entscheidung nicht allzu schwer. Der eine ist dem shareholder value verpflichtet, sein Ziel ist Gewinnmaximierung - und Kundenzufriedenheit allenfalls Mittel zum Zweck; der andere ist der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet und, den Bedarf der Streitkräfte zu decken, ist sein Auftrag.

Diesem Auftrag wird die Wehrbereichsverwaltung West – natürlich begrenzt durch die verfügbaren Gelder und Mittel - aus meiner Sicht in vorzüglicher Weise gerecht. Dafür danke ich Ihnen, Herr Großkraumbach, und all Ihren Mitarbeitern ganz herzlich. Es wird viel auf unserer Verwaltung herumgehackt und auch wir meckern natürlich gelegentlich (siehe mein Beispiel mit der Heizung); aber wenn man näher hinschaut, ist für Mängel in aller Regel die Schere zwischen Auftrag und Mitteln und nicht mangelnder Wille verantwortlich. Deshalb erscheint mir ein Lob an dieser Stelle mehr als angebracht.

Nicht zuletzt danke ich auch dafür, Herr Großkraumbach, dass wir uns in der Außendarstellung der Bundeswehr im hiesigen Raum nicht wie Konkurrenten verhalten, sondern uns ergänzt und vieles gemeinsam gemacht haben. Ich denke z.B. an unsere Neujahrsempfänge, bei denen wir sogar den Bundeswehrverband mit im Boot hatten.
Und auch in Diskussionen über die Rolle der Bundeswehr in einer der Düsseldorfer Runden, denen wir angehören, haben wir uns – wie ich meine - gemeinsam ganz gut geschlagen. Wo der massive Panzerangriff noch nicht allen Widerstand ausräumen konnte, gelang dies spätestens durch Ihre – auch juristisch gut untermauerten - Attacken in die Flanke. Ich habe dieses Zusammenspiel sehr genossen.

Für eine ausgesprochen erfreuliche und auch inspirierende gemeinsame Zeit hier in Düsseldorf danke ich Ihnen, lieber Herr Großkraumbach, persönlich, aber auch im Namen der 7. Panzerdivision ganz herzlich. Das neue Wappen unseres Kommandos, das ich Ihnen anschließend überreichen werde, möge Sie an diese Zeit erinnern. Ich verbinde meinen Dank mit den besten Wünschen für Ihre neue Verwendung in Bonn. Und ich füge an: Meine Frau und ich freuen uns, dass auf diese Weise auch die persönliche Verbindung zu Ihnen und Ihrer liebenswerten Frau Gemahlin leicht erhalten werden kann.

Lieber Herr Schmiemann, für uns ist es eine besonders glückliche Fügung, dass wir uns an kein neues Gesicht gewöhnen müssen und die bewährte Zusammenarbeit mit Ihnen nun auf der höheren Ebene des Präsidentenamtes nahtlos fortsetzen können. Wir haben Sie als einen außerordentlich geradlinigen Mann kennen- und schätzen gelernt, auf den man sich hundertprozentig verlassen kann. Für Ihre neue Aufgabe würde ich Ihnen ja gern unsere Unterstützung anbieten; da Sie aber die Verhältnisse hier in Düsseldorf besser kennen als kaum ein anderer, wäre das wahrscheinlich etwas vermessen. Deshalb sage ich Ihnen zur Übernahme des Präsidentenamtes – und Sie, liebe Frau Schmiemann, schließen wir in die guten Wünsche selbstverständlich ein - einfach nur ein ganz herzliches „Glück auf!“