Kein Mensch auf der ganzen Welt
kann die Wahrheit verändern.
Man kann sie nur suchen
sie finden und ihr dienen.
Die Wahrheit ist an jedem Ort.

Dietrich Bonhoeffer

Übergabe der Offizierschule des Heeres von Brigadegeneral Fritz von Korff an Brigadegeneral Markus Bentler

Ansprache des Amtschef Heeresamt, Generalmajor Jürgen Ruwe, aus diesem Anlass am 19. März 2004 in Dresden

Herr Ministerpräsident,
Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren Abgeordnete, meine Herren Generale,
sehr verehrte Gäste,
Soldatinnen und Soldaten, zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Offizierschule des Heeres!

Brigadegeneral Fritz Freiherr von Korff übergibt heute das Kommando über die Offizierschule des Heeres an Brigadegeneral Markus Bentler.
Es ist guter Brauch im deutschen Heer, den Wechsel im Kommando im Beisein von Vertretern des öffentlichen Lebens sowie von Angehörigen und Freunden zu vollziehen. Darin kommt die Bedeutung dieses Vorgangs für den scheidenden und den neuen Kommandeur und natürlich für alle Angehörigen der Offizierschule sichtbar zum Ausdruck. Für Brigadegeneral von Korff ist dieser Appell darüber hinaus der Abschied aus einem 40-jährigen Berufsleben in der Bundeswehr. Ihre Anwesenheit, meine Damen und Herren, belegt Ihre Verbundenheit mit der Offizierschule des Heeres. Ich danke Ihnen dafür und heiße Sie alle herzlich willkommen. Ich danke Ihnen, Herr Ministerpräsident Milbradt, für Ihre freundlichen Grußworte. Die Zeit, in der dieser Wechsel an der Offizierschule erfolgt, ist sicherheitspolitisch angespannt. Dies zeigen die weltweiten Konflikte bis hin zu den terroristischen Anschlägen der letzten Tage in Bagdad, im Kosovo, besonders aber in Madrid. Wir nehmen Anteil am Leid des spanischen Volkes und gedenken der unschuldigen Menschen, die zu Tode gekommen sind oder schwer verletzt wurden. Diese Terrorakte zeigen erneut, wie sehr die Sicherheit offenbar überall in der Welt bedroht ist. Diesem Umstand trägt die Bundesrepublik Deutschland u.a. dadurch Rechnung, dass sie einen bedeutenden Beitrag zur Friedensstabilisierung mittlerweile in vielen Teilen der Welt, vor allem auf dem Balkan und in Afghanistan leistet. Rund 7.000 deutsche Soldaten sind derzeit im Ausland eingesetzt. Damit ist Deutschland weltweit der zweitgrößte Truppensteller für internationale Friedenseinsätze.

Einsätze dieser Art werden auch künftig das Geschehen in den Streitkräften bestimmen. Das gilt besonders für das Heer, das zu 70% die laufenden Einsätze beschickt. Die Schwerpunkte mögen sich verlagern, die generelle Herausforderung bleibt. Mit der Heeresstruktur „Heer der Zukunft“ haben wir bereits einen wesentlichen Schritt hin zu einer Einsatzarmee getan. Mit der Namenswahl für unsere Strukturen sollten wir allerdings künftig etwas vorsichtiger sein, weil wir gerade feststellen mussten, dass „Zukunft“ in diesem konkreten Fall leider nur wenige Jahre bedeutete.

Die Hoffnung, dass nach den gravierenden Strukturanpassungen in den Jahren seit der Wiedervereinigung nun erst einmal Ruhe einkehren würde, hat sich nicht erfüllt. Sie konnte sich auch nicht erfüllen, weil zum einen die Ziele der Bundeswehrreform mit den verfügbaren Haushaltsmitteln nicht zu erreichen waren, zum anderen die rasche Veränderung der sicherheitspolitischen Lage offenbar einen ständigen Transformationsprozess - wie wir das heute nennen - von uns erfordert.

Daher stand die Bundeswehr nach sehr kurzer Zeit erneut vor einem Neubeginn in der Planung. Der Startpunkt dafür waren die im Mai des vergangenen Jahres herausgegebenen Verteidigungspolitischen Richtlinien. Wo wir inzwischen stehen, hat Bundesminister Dr. Struck dem Parlament in der vergangenen Woche in einer Regierungserklärung vorgestellt.
Landes- und Bündnisverteidigung sind nicht mehr Hauptauftrag der Streitkräfte. Vielmehr stehen Einsätze zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung, einschl. des Kampfs gegen den internationalen Terrorismus, im Mittelpunkt zukünftiger konzeptioneller und struktureller Überlegungen. Der Schutz Deutschlands, die Unterstützung von Bündnispartnern, Rettung und Evakuierung und Hilfeleistungen durch die Bundeswehr bleiben selbstverständlich als Aufgaben erhalten.

Um die knappen Ressourcen besser zu bündeln, wollen wir künftig noch stärker als bisher auf einen streikräfte-gemeinsamen Ansatz setzen. Im übrigen gehen wir davon aus, dass wir Einsätze im Rahmen der Vereinten Nationen, der NATO und der Europäischen Union ausschließlich in einem multinationalen Rahmen bestreiten werden.Um den neuen Aufgaben im Rahmen begrenzter Finanzmittel gerecht werden zu können, bedarf es einer grundlegenden Neuordnung der Streitkräfte. Knappe Ressourcen erfordern die Konzentration auf das Wesentliche. Deshalb sollen künftig die Streitkräfte stärker noch als bisher auf die Einsatzaufgaben hin optimiert werden.

Dies haben wir mit einer geringeren personellen Ressource zu leisten, denn die neue Bundeswehrstruktur sieht einen Umfang von 250.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten sowie 75.000 Stellen für zivile Mitarbeiter vor. Die Wehrpflicht mit einer Dauer von 9 Monaten wird beibehalten; es werden aber nur noch 55.000 Wehrpflichtige dienen – davon ein erheblicher Teil als Freiwillig Längerdienende Wehrpflichtige bis zu einer Dauer von 23 Monaten. Wehrpflichtige werden also auch in der künftigen Bundeswehr eine zwar kleinere, aber dennoch nicht unbedeutende Rolle spielen. Sie stellen nicht nur ein bedeutendes Potenzial für die Nachwuchsgewinnung dar, sondern leisten auch für die laufenden Einsätze einen erheblichen Beitrag: Als Freiwillig Längerdienende Wehrpflichtige stellen sie z.B. ca. 20% der Einsatzkräfte auf dem Balkan und in Afghanistan.

Eine Abschaffung oder Aussetzung der Wehrpflicht käme uns teuer zu stehen. Wenn die Auftragslage für die Bundeswehr sich nicht wesentlich änderte, müsste in einem solchen Fall ein erheblicher Teil des künftigen Wehrpflichtigenanteils durch Soldaten auf Zeit ersetzt werden. Bis zum Jahr 2010 werden die Streitkräfte nach neuen Kräftekategorien gegliedert, die auf die jeweilige Aufgabe hin optimiert sind.
Eingreifkräfte sind vorgesehen für multinationale Operationen hoher Intensität vor allen im Rahmen der Friedenserzwingung. Ihr Einsatz wird im Rahmen der schnellen Nato-Eingreiftruppe oder der europäischen Eingreiftruppe erfolgen. Der Umfang der Eingreifkräfte beträgt insgesamt 35.000 Soldaten.
Stabilisierungskräfte sind vorgesehen für militärische Operationen niedriger und mittlerer Intensität im Rahmen friedensstabilisierender Maßnahmen. Ihr Umfang beträgt insgesamt 70.000 Soldaten. Dies ermöglicht den zeitlich abgestuften Einsatz von bis zu 14.000 Soldaten aufgeteilt auf bis zu fünf verschiedene Einsatzgebiete.
Unterstützungskräfte schließlich sind vorgesehen für die umfassende streitkräfte-gemeinsame Unterstützung von Einsätzen gleich welcher Art sowie für den Grundbetrieb der Bundeswehr einschließlich der Führungs- und Ausbildungsorganisationen. Der Umfang dieser Kräfte beträgt 145.000 Dienstposten.

Mit der neuen Struktur wird auch eine Anpassung der Stationierung erforderlich. In den vergangenen Strukturveränderungen sind stets deren Auswirkungen auf die Zahl der Standorte minimiert worden. Dies hat zu einer Vielzahl kleiner und unwirtschaftlicher Standorte geführt - mit betriebswirtschaftlichen, aber auch gravierenden militärischen Nachteilen. Daher ist es unabweisbar, nunmehr die Zahl der Standorte deutlich zu reduzieren. Von den derzeit noch 621 Standorten der Bundeswehr werden am Ende rund 400 übrig bleiben. Das Stationierungskonzept soll Ende dieses Jahres vorliegen. Die Entscheidungen dazu sollen sich ausschließlich an betriebswirtschaftlichen und militärischen Kriterien ausrichten; etwas anderes kann sich die Bundeswehr nicht mehr leisten. Ohnehin ist auch die neue Struktur finanziell „absolut auf Rand genäht“. Erneute Kürzungen in den Verteidigungshaushalten der nächsten Jahre würden die derzeitigen Planungen bereits wieder obsolet machen.

Die Offizierschule des Heeres allerdings wird sich um ihre Zukunft nicht sorgen müssen, denn der hohe Stand unserer Offizierausbildung im internationalen Vergleich ist nicht zuletzt auf die gute Arbeit hier in Dresden zurückzuführen. An historischer Stätte werden hier die charakterlichen und fachlichen Grundlagen für einen Offiziertyp vermittelt, wie wir ihn gerade im Umfeld unserer Auslandseinsätze brauchen: Breit gebildet, verantwortungsbewusst und entscheidungsfreudig. Nicht zuletzt wegen der qualifizierten Ausbildung hier genießen unsere Offiziere im In- und Ausland, gerade aber im Einsatz ein hohes Ansehen – bei der Bevölkerung ebenso wie bei unseren Alliierten oder bei Politikern. Damit dies mit Blick auf die künftigen Einsatzerfordernisse und Rahmenbedingungen so bleibt, werden wir die Offizier- wie die Truppenausbildung neu ordnen und anpassen.

Auf der Grundlage des Bewährten ist Ziel dieser Neuordnung, die Ausbildung von Anfang an noch stärker an den Erfordernissen einer Armee im Einsatz auszurichten, Wissen und Können verwendungsbezogen und zeitnah zu vermitteln, Anreize für eine lebenslange Fort- und Weiterbildung zu schaffen, aber auch uns auf das wirklich Erforderliche zu beschränken. Die Fähigkeit zum Einsatz im Verbund mit anderen Streit- und Teilstreitkräften, interkulturelle Kompetenz und eine intensivierte Sprachausbildung gehören hierzu ebenso, wie Belastbarkeit, Einfallsreichtum und das traditionelle militärische Handwerk.

Künftig sollen unsere Offizieranwärter nach einheitlicher Grundlagenausbildung bereits wieder nach 15 Monaten mit dem Studium an einer der Bundeswehruniversitäten beginnen. Nach der anschließenden weiteren Ausbildung an den Schulen des Heeres kommen sie insgesamt 1 Jahr früher als bisher in ihre erste Offizierverwendung. Damit werden die bisher unterschiedlichen Ausbildungsgänge in den verschiedenen Organisationsbereichen der Bundeswehr wieder angeglichen und die Attraktivität des Berufsbildes eines Heeresoffiziers erhöht.

Sie, meine jungen Kameradinnen und Kameraden, die hier angetreten sind, werden durch die geplanten Veränderungen keine Nachteile haben. Die Erfahrung, die Sie in der Truppe erworben haben, ist ein Prä, das Ihnen niemand nehmen kann. In den letzten drei Jahren – und damit wende ich mich den beiden Herren zu, die heute im Mittelpunkt stehen - in den letzten drei Jahren hat Brigadegeneral von Korff die Ausbildung und Erziehung unseres Offiziernachwuchses entscheidend geprägt. Diese drei Jahre haben für Sie, Herr General von Korff, eine vielseitige und außerordentlich erfolgreiche Laufbahn in der Bundeswehr gekrönt, die Sie seit Ihrem Diensteintritt 1964 in Hessisch Lichtenau an viele Wirkungsstätten im In- und Ausland und zuletzt halt an die Spitze der Offizierschule des Deutschen Heeres geführt hat.

Die vielen einzelnen Stationen im Laufe eines langen Soldatenlebens können wir hier nicht alle nachvollziehen. Höhepunkte waren aber gewiss Ihre Kommandeurverwendungen im Panzeraufklärungsbataillon 6 in Eutin, der Stadt, die auch Ihre künftige Heimat sein soll, und von 1996 bis 1999 in der Panzerbrigade 12 „Oberpfalz“ in Amberg. Höhepunkte waren sicherlich auch die Einsätze als Kommandeur der Einsatzbrigade im Kosovo 1999 sowie als Kommandeur der Multinationalen Brigade Süd und Nationaler Befehlshaber im Einsatzland im Jahre 2000. Ich selbst habe General v. Korff seinerzeit in Prizren besucht, meine Damen und Herren, und erlebt, wie sehr er sich mit dieser Aufgabe identifiziert hat. Solche Einsätze prägen sicherlich über den Tag hinaus.

General v. Korff war stets ein Offizier mit klaren Vorstellungen und Idealen, an denen er auch dann festhielt, wenn es bequemer gewesen wäre, dem Zeitgeist zu folgen. Dabei ist er das Gegenteil eines „Kommisskopfs“. Er ist ein gebildeter Mann, Neuerungen gegenüber aufgeschlossen, immer gesprächsbereit, ein Herr - Eigenschaften, die gerade in der Erziehung unseres Offiziernachwuchses von besonderer Bedeutung sind. Deshalb war es nur folgerichtig, ihn im April 2001 zum Abschluss einer überaus erfolgreichen und vielseitigen Laufbahn mit der Führung der Offizierschule des Heeres zu betrauen. In den vergangenen drei Jahren hat General v. Korff das Führerkorps des Heeres entscheidend geprägt.
Mit dem Selbstbewusstsein und der Eleganz eines Offiziers der „Panzeraufklärungstruppe“ hat er die bedeutendste Ausbildungseinrichtung des Deutschen Heeres auch nach außen vertreten. Eine Vielzahl in- und ausländischer Besucher hatte die Offizierschule in den letzten drei Jahren zu Gast – darunter den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler, den Bundesminister der Verteidigung und – natürlich, möchte ich sagen – wie heute wieder den Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen.
General v. Korff hat die Kontakte zu den ausländischen Partnerschulen intensiv gepflegt – ich freue mich, dass Vertreter von ihnen heute dabei sind – und er hat eine hervorragende Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Mit Ihrer Anwesenheit, sehr verehrte Gäste, unterstreichen Sie diese Einschätzung.

Herr General v. Korff,
ich danke Ihnen für die vorzügliche Arbeit, die Sie in den vergangenen drei Jahren an der Spitze der Offizierschule des Heeres geleistet haben. Ich danke Ihnen darüber hinaus am Ende einer bewegten und überaus erfolgreichen Dienstzeit als Soldat für die vier Jahrzehnte, die Sie der Bundesrepublik Deutschland gedient haben – in überzeugender Weise und - ich weiß gar nicht, ob ich so etwas hier in Sachsen sagen darf – in preußischer Pflichterfüllung. Sie haben der Bundeswehr und unserem Land einen hohen Dienst erwiesen. Dies spiegelt sich auch in den Auszeichnungen, die Ihnen verliehen wurden – insbesondere dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland am Bande und der Meritorious Service Medal der US Army. Für die Zukunft und für den neuen Lebensabschnitt wünsche ich Ihnen alles Gute und schließe Ihre Frau Gemahlin und Ihre Familie in diese guten Wünsche ausdrücklich mit ein.

Herr Brigadegeneral Bentler,
ich übertrage ihnen heute die Führung der Offizierschule des Heeres in dem Wissen, dass vor Ihnen keine leichte Aufgabe liegt. Das Terrain ist zwar bereitet; aber die heranstehende Umgestaltung der Offizierausbildung im Heer mit der Überlappung von alten und neuen Ausbildungsgängen wird diese Schule natürlich in besonderer Weise fordern. Ich habe aber nicht den geringsten Zweifel, dass Sie dieser Aufgabe gerecht werden, denn zum einen sind Sie durch eine Vielzahl von Führungs- und Generalstabsverwendungen vorzüglich darauf vorbereitet und zum anderen kenne ich Sie ja seit langem persönlich. Ich kann mir keine bessere Besetzung dieses Dienstpostens vorstellen.
Brigadegeneral Bentler hat seinen Dienst in der Bundeswehr 1972 begonnen und an der Universität der Bundeswehr in Hamburg Pädagogik studiert. Er verfügt über ausgeprägte Führungserfahrungen aus seiner Verwendung als Kommandeur des Panzergrenadierbataillons 12 in Osterode – in dieser Zeit war ich sein Brigadekommandeur – und seit 2001 als Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall.

General Bentler hat Erfahrungen im Auslandseinsatz als Kommandeur der Multinationalen Brigade Südwest in Prizren erworben, war Anfang der 90er Jahre Stellvertretender Heeresattaché bei der Deutschen Botschaft in Washington und hat vor seiner Verwendung als Brigadekommandeur an der National Defense University in Washington sein Master Degree erworben. Nicht zuletzt kennt er unser Ministerium aus dem „Eff-Eff“, u.a. aus seiner Verwendung als Adjutant des Generalinspekteurs der Bundeswehr.

Herr General Bentler,
für die neue Aufgabe wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei der Ausbildung und Erziehung unseres Offiziernachwuchses und eine glückliche Hand im Umgang mit den jungen Menschen, die hier angetreten sind.